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Wer zerstört die OSZE?

Dieser Kommentar des Ständigen Vertreters Russlands bei der OSZE Alexander Lukashevich wurde als eine Antwort für die gemeinsame Publikation von Standard, ZDF und Spiegel, in dem die geschätzten Medien die russische Position falsch darstellten, geplant. Allerdings verweigerten die obengenannten Medien, den Beitrag mit einer Gegendarstellung zu veröffentlichen.

 In jüngster Zeit häufen sich die Spekulationen über eine angeblich destruktive Rolle Russlands in der OSZE. Russland wird für alle Probleme der Organisation verantwortlich gemacht, als ihr Totengräber dargestellt, Spionage- und Verschwörungsmythen werden konstruiert, Fakten und Umstände verdreht. Wir möchten den Leserinnen und Lesern die Möglichkeit geben, sich selbst über die Geschehnisse Klarheit zu verschaffen.

Die Ursprünge der KSZE/OSZE reichen bis in die 1970-er Jahre zurück. Damals gelang es, trotz aller Trennlinien des Kalten Krieges, eine einzigartige Plattform für den Dialog zwischen Ost und West zu schaffen. Nach dem Ende der Blockkonfrontation im euro-atlantischen Raum begann diese Struktur Gestalt anzunehmen, in Form einer internationalen Organisation für die Zusammenarbeit im gesamten Spektrum der Sicherheitsprobleme. Leider wurde dieser Prozess nie ganz abgeschlossen. Trotzdem nahm die OSZE weiterhin die Position des führenden europäischen Forums zu aktuellen Themen der modernen Politik ein: "Allwetter-Mechanismus", wie es im Fachjargon heißt. Der Dialog zwischen den OSZE-Mitgliedsstaaten wurde auch in den schwierigsten Krisenzeiten nie unterbrochen. So wurde etwa 1999 vor dem Hintergrund der barbarischen Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO-Staaten die diplomatische Arbeit in Wien nicht unterbrochen. Dadurch konnte damals unter anderem eine Stabilisierung der Lage erreicht werden.

Die Einzigartigkeit der OSZE besteht darin, dass sie 57 Staaten des euro-atlantischen Raums vereint: alle Länder Europas und des postsowjetischen Raums, die Mongolei sowie die USA und Kanada. In Wien kommen diese Länder mit unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen, eigenen Werten und kulturhistorischen Anschauungen dennoch auf einen gemeinsamen Nenner im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens. Grundlage der Arbeit der Organisation ist das Konsensusprinzip bei der Entscheidungsfindung. Es spiegelt die souveräne Gleichheit aller Teilnehmerstaaten wider und bedeutet, dass auch das kleinste Land eine Entscheidung verhindern kann, die seine Interessen nicht berücksichtigt. Dazu führen alle 57 Länder umfassende Verhandlungen, finden Gemeinsamkeiten und Kompromisse. Gleichzeitig ist es wichtig zu verstehen, dass die OSZE keine Filiale der NATO und der EU sein kann. Es gibt keinen "Fraktionszwang", der alle zu ostentativer Gesinnungsgleichheit zwingt. Die OSZE sieht eine ausgewogene Beteiligung der Länder des Euro-Atlantiks und Eurasiens vor, wobei die gegenseitige Berücksichtigung der Interessen kein Wunsch, sondern ein Axiom ist. Doch jetzt degradiert dieses äußerst bedeutsame diplomatische Forum.

Wir glauben, dass für alle offensichtlich ist: nicht Russland bringt seit Jahrzehnten seine militärische Infrastruktur näher an die Grenzen der NATO-Länder, sondern im Gegenteil, das Nordatlantische Bündnis hat den Zusammenbruch der UdSSR genutzt, um Gebiete im Osten zu „erschließen“, um dort seine Militärstützpunkte zu errichten. Das Heranführen militärischen Infrastruktur der NATO bis direkt an die Grenzen der Russischen Föderation, gefährdet die friedliche und sichere Entwicklung unserer Gesellschaft. Die Behauptung, dass "die NATO niemanden bedrohe", wird durch die tatsächlichen Schritte des Bündnisses zum Aufbau seines militärischen Potenzials widerlegt. Darüber hinaus hat die NATO in den letzten dreißig Jahren eine Reihe illegitimer militärischer Interventionen gegen souveräne Staaten durchgeführt, darunter Jugoslawien, Irak und Libyen.

 Man kann die eigene Sicherheit nicht auf Kosten anderer gewährleisten. Das ist ein Axiom der Geopolitik. 

Jetzt hat der Sturm, welcher durch die Verletzung des Gesetzes der kommunizierenden Gefäße verursacht wurde, die OSZE unter Wasser gesetzt. Vor dem Hintergrund der Situation im Zusammenhang mit der Ukraine untergräbt eine Gruppe westlicher Länder, vor allem die NATO-Mitglieder unter Führung der Vereinigten Staaten, das normale diplomatische Zusammenwirken. Die Arbeit in der OSZE wird immer schwieriger: die Länder des sogenannten "kollektiven Westens" haben vergessen, was zivilisierte Kommunikation bedeutet. Die schmutzigsten Tricks werden angewandt: die Dämonisierung Russlands, das Spielen der Spionage-Karte, Anschuldigungen gegenüber unserem Land, "die Arbeit der OSZE zu blockieren". Es kommt zu persönlichen Anschuldigungen, Beleidigungen und Drohungen gegen russische Diplomaten bis hin zu Verratsaufrufen.

Pauschale Spionagebeschuldigungen gegenüber den in der OSZE tätigen Russen sind einfach eine Methode des unlauteren Wettbewerbs um Posten und Einfluss in ihren Strukturen. Dabei sind unsere Landsleute in diesem System ohnehin bereits um eine Größenordnung weniger vertreten als etwa die Amerikaner oder Briten. Es ist eine unwürdige Praxis, jemandem ohne Beweise abgeschmackte Etiketten umzuhängen.

Die Ablehnung der diplomatischen Ethik und generell jeglicher Anstandsregeln wird damit gerechtfertigt, dass es mit Russland "no business as usual" mehr geben könne. Unsere Kontrahenten entziehen sich der professionellen Kontakte auf praktisch auf allen Ebenen. Sie sind überzeugt, dass man mit unserem Land aus einer Position der Stärke heraus sprechen muss, um alle Probleme mit Russland "auf dem Schlachtfeld", mit den Händen der Ukrainer, zu lösen. All das, einschließlich der Überzeugung einer Reihe westlicher Länder von ihrer Exklusivität, ist eine augenscheinliche Herausforderung für unseren auswärtigen Dienst. Aber auch unter diesen Bedingungen versuchen wir, die russischen Diplomaten, unsere Hauptaufgabe zu erfüllen - die Kommunikationskanäle aufrechtzuerhalten, Signale für einem klaren und sinnvollen Dialog zu senden und dabei natürlich die Interessen unseres Landes zu schützen.

Eine weitere Ursache für die Lähmung der OSZE, ist der tatsächliche Verlust der nationalen Identität und Unabhängigkeit der meisten europäischen Länder. Ihre in euro-atlantischen Illusionen gefangenen politischen Eliten führen ihre Gesellschaften eine Richtung, welche nicht den alltäglichen Interessen der einfachen Bürger entspricht. Die Bevölkerung der "Alten Welt" spürt bereits in ihrem Portemonnaie die Kosten des aufgezwungenen Kurses der Konfrontation und Zwietracht. Es ist tragisch mit anzusehen, dass der durchschnittliche Europäer die derzeit stattfindenden Prozesse noch nicht vollständig durchschaut und von den sozioökonomischen Umwälzungen, deren Höhepunkt noch bevorsteht, noch keine richtige Vorstellung gewonnen hat.

Was geschah nun in der Ukraine? Die relativ ruhige Entwicklung dieses Staates, der 1991 auf den Trümmern der UdSSR gegründet wurde, endete nach dem vom Westen organisierten Staatsstreich im Februar 2014. Damals wurde das Land zunächst ultimativ vor die Wahl gestellt, entweder mit der EU oder mit Russland zu sein. Danach begann man aktiv, die Ukraine in einen feindlichen antirussischen Brückenkopf zu verwandeln, ihre Militarisierung voranzutreiben und sie zu einem bewaffneten Konflikt mit Russland anzustiften, dessen Beginn nur eine Frage der Zeit war. Gleichzeitig hat nie jemand die Ukrainer selbst gefragt, ob sie sich zu Lasten der historisch engen Beziehungen zu Russland völlig dem Westen unterordnen oder beispielsweise der NATO beitreten wollen. In der kurzen Geschichte des Landes hat es kein einziges nationales Referendum zu diesem Thema gegeben.

Seit Beginn der militärischen Strafoperation Kiews gegen die Bevölkerung des Donbass im Jahr 2014 übersieht der Westen demonstrativ die Gräueltaten des Kiewer Regimes gegen die Zivilbevölkerung und die politischen Gegner des Regimes, deren Opfer heute bereits in die Tausende gehen. Unter dem Druck der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und ihrer Verbündeten schweigt zu diesen Verbrechen auch die OSZE-Führung – sowohl der nordmazedonische Ratsvorsitz als auch der Generalsekretär. Die von Russophobie durchdrungenen westlichen Länder versuchen stattdessen, die OSZE zu missbrauchen, um angebliche "russische Kriegsverbrechen" zu „beglaubigen“. Dabei handelt es sich um offensichtliche Fälschungen, die auf „irgendjemandes“ Geschichten über „irgendwelche“ Vorkommnisse beruhen. Sie lügen unverhohlen, selbst dann, wenn westliche Journalisten wohl oder übel diese Fälschungen entlarven. Dies war zum Beispiel bei dem Angriff am 8. April 2022 mit Totschka-U-Raketen auf den Bahnhof Kramatorsk der Fall: damals zeigten italienische Journalisten des Senders TGLa7 in einem Bericht die ukrainische Seriennummer auf den Trümmern des Hecks der Rakete, welche auf dem Bahnhofsplatz einschlug. Aber nichtsdestotrotz beschuldigen der Ständige Vertreter der USA und seine "Freunde" in der OSZE noch nach anderthalb Jahren danach noch das russische Militär. Beispiele dieser Art sind in Wirklichkeit sehr zahlreich. (In der OSZE versuchen die Anglo-Amerikaner und die sich ihrer Außenpolitik unterwerfenden Länder, mit Hilfe der von ihnen ernannten "Experten" gewisse Berichte über die sogenannten "Gräueltaten der russischen Soldateska" zur propagandistischen Anschwärzung Russlands hervorzubringen. Der Leser findet dort keine Links zu seriösen und renommierten Quellen, sondern nur Nacherzählungen von unbestätigten Informationen aus voreingenommenen ukrainischen und westlichen Medien und Webressourcen des Kiewer Regimes. Und solche hastig zusammengeflickte dubiose Digests werden als "dokumentarische Beweise" präsentiert.)

Deshalb stört unsere Gegner auch die russische Anwesenheit in der OSZE: hier ertönt unsere Stimme, werden unschöne Fakten über die Rolle des NATO-Westens in der ukrainischen Tragödie ausgesprochen, welche dieser zu verschweigen versucht. Seine proamerikanischen Eliten sind es gewohnt, zu diktieren. Propagandalosungen auszustreuen und Wunschdenken als Wirklichkeit auszugeben. Für sie ist Russland in der OSZE wie ein "Knochen im Hals", der sie daran hindert, ihre "regelbasierte Weltordnung" ungehindert durchzusetzen.

Dabei können sie seit Jahren nicht verständlich erklären, was die NATO-Staaten mit dieser "regelbasierte Weltordnung" meinen und bezwecken (übrigens, die ausführliche Liste von solchen „Regeln“ wurde nirgendwo veröffentlicht), warum sie nicht stattdessen die auf dem bestehenden internationalen Recht und der Charta der Vereinten Nationen basierende Weltordnung schützen und entwickeln wollen, wofür Russland und die nicht-westliche globale Mehrheit der Welt stehen. Gerade aus diesen Gründen hat sich die Kampagne gegen die Teilnahme Russlands an der Organisation verschärft.

All das geschieht vor dem Hintergrund, dass sie den neo-Nazis in der Ukraine modernste zerstörerische Waffen geben, darunter international geächtete Waffen wie Streumunition und Geschosse mit abgereichertem Uran. Hierdurch dauert der Konflikt nur länger und es gibt noch mehr Opfer. Letzten Endes besteht die Gefahr, dass die Ukraine sich in eine entvölkerte Wüste mit unbewohnbarem Land verwandelt.

Die langjährigen Aktivitäten  des Büros des OSZE-Projektkoordinators in der Ukraine von 1999 bis 2022, das für die Einhaltung der Grundsätze und Verpflichtungen der OSZE durch die ukrainischen Behörden sorgen sollte, erwiesen sich als fruchtlos und schadeten dem Image der OSZE. Der Koordinator beschäftigte sich in keiner Weise mit den wirklichen Problemen: dem diskriminierenden Druck auf die nicht-ukrainischsprachige Mehrheit, der Einschränkung der Meinungsfreiheit, den politischen Morden, den Repressionen gegen die kanonische orthodoxe Kirche usw.

Infolge der bedingungslosen Unterstützung des Kiewer Regimes durch den Westen entschied Selenskyj, dass ihm absolut alles erlaubt sei.

Ende 2021 intensivierte Kiew die Militäroperationen gegen die Bewohner des Donbass. Die OSZE-Sonderbeobachtermission (OSZE SMM) in der Ukraine war direkt der Verhinderung einer groß angelegten Eskalation verpflichtet. Die in der Beobachtermission tätigen Russen (knapp 40 von insgesamt etwa 1000 Personen) waren jedoch in der Führung der OSZE SMM nicht vertreten. Diese Leitung befand sich in der Tat vollständig in den Händen von Vertretern der NATO-Mitgliedstaaten. In den letzten Jahren ihres Bestehens machte die OSZE SMM keinen Hehl aus ihrer politischen Voreingenommenheit. Wir haben konkrete Beispiele dafür, wie die Berichte von Beobachterteams aus dem Donbass in Kiew bearbeitet wurden, um das Kiewer Regime herauszuhalten. Die Originalberichte der Patrouillen wurden den OSZE-Teilnehmerstaaten hartnäckig vorenthalten - die Missionsleitung hatte etwas zu verbergen. Und in Kiew sträubte man sich gegen die Übergabe der „Vor Ort“-Berichte der OSZE SMM an alle Mitgliedsstaaten der Organisation.

Anstelle einer wirklichen Hilfe bei der Verringerung der Eskalation und der Aufnahme eines direkten Dialogs zwischen Vertretern von Kiew, Donezk und Lugansk arbeitete die Mission den Auftrag ab, die Kiewer NATO-Marionetten zu schützen und die Existenz der Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie derer Behörden völlig zu ignorieren. Infolgedessen erlitt die OSZE SMM ein Fiasko. Im März 2022 wurde sie geschlossen, nachdem sie sich selbst diskreditiert und keine der ihr übertragenen Aufgaben erfüllt hatte. Trotzdem hat unser Land nach 24. Februar 2022 alles getan, um eine schnelle, sichere und zuverlässige Evakuierung des internationalen Personals der OSZE SMM zu gewährleisten. Keiner der internationalen Mitarbeiter wurde in Mitleidenschaft gezogen, verletzt oder gar getötet.

Während die Mission aus der Ukraine evakuiert wurde, gelangten einige ihrer gepanzerten Fahrzeuge auf unerklärliche Weise in die Hände des berüchtigten neonazistischen Asow-Bataillons und wurden von ihnen bei Kampfhandlungen eingesetzt.

Es gibt immer noch keine klare Antwort auf unsere Forderung an den OSZE-Generalsekretär, den Ständigen Rat über die Einzelheiten der Übergabe der Fahrzeuge an die Neonazis zu informieren: die dem OSZE-Sekretariat zu diesem Thema zur Verfügung stehenden Materialien werden geheim gehalten. Niemand will erklären, unter welchen Umständen die gepanzerten OSZE-SMM Fahrzeuge im März 2022 in die Hände von Neo-Nazi „Azov“ Regiment gelangen und warum diese Autos für Tötungen der Zivilisten und Waffengewalt anderer Art in Mariupol verwendet wurden. Oder warum im Mai 2022 heimlich und unentgeltlich etwa fünf Dutzend gepanzerte Fahrzeuge der ehemaligen OSZE SMM direkt in die Hände des Selenskyj-Regimes offiziell übergeben wurden. Und wo genau sind jetzt diese Autos.

Wenn Sie also wieder einmal laute Manipulationen zum Thema hören, dass Russland irgendwelche OSZE-Autos durch ihre Platzierung auf bewachten Sonderparkplätze in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk "gestohlen" habe, dann denken Sie bitte daran, wer eigentlich Dreck am Stecken hat.

Nach der Schließung der OSZE SMM gelangten Fakten über die Zusammenarbeit des westlichen OSZE-Personals mit ausländischen Geheimdiensten ans Tageslicht. Die dabei weitergeleiteten Informationen zu den Positionen der Streitkräfte der Volksrepubliken Donezk und Lugansk wurden auf ukrainischer Seite zur Standortkorrektur und zum Beschuss des Donbass verwendet und führten zu menschlichen Opfern. Einige lokale Mitarbeiter der OSZE SMM wurden deshalb festgenommen und vor ein russisches Gericht gestellt.

Heute versuchen die westlichen Länder, als Ersatz für die bankrotte OSZE-Präsenz in der Ukraine eine Art außerbudgetäres "Unterstützungsprogramm für die Ukraine" voranzutreiben. Jetzt möchte der Westen mit den schönen Worten über die "Entwicklung der Demokratie und den Kampf gegen die Korruption" die Organisation als "Aushängeschild" nutzen, ohne die Unterstützung aller 57 OSZE-Mitgliedsstaaten zu besitzen.

Zur Lösung von Konflikten in ihrem Zuständigkeitsbereich beizutragen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der OSZE. Dafür verfügt sie über ein ganzes Arsenal an Werkzeugen. Es gibt international vereinbarte Regulierungsformate, bei denen die Organisation eine wichtige Rolle spielen kann. Jetzt erleben wir, wie einige westliche Länder solche multilateralen Mechanismen in Bezug auf verschiedene regionale Konfliktsituationen gezielt zerstören.

Dies geschah zum Beispiel mit der Minsker OSZE-Gruppe. Seit 1995 suchen die Ko-Vorsitzenden (aus Russland, den USA und Frankreich) gemeinsam nach Wegen zur Normalisierung der armenisch-aserbaidschanischen Beziehungen. Im vergangenen Jahr zogen sich die Vertreter Washingtons und Paris jedoch einfach aus der Arbeit in diesem Format zurück.

Auch die Plattform für die Kontakte Georgiens mit Abchasien und Südossetien - die Genfer Internationalen Gespräche über Sicherheit und Stabilität im Südkaukasus - ist bedroht. Im Jahr 2022 wurde das Genfer Format aufgrund der antirussischen Linie einiger Gesprächsparteien (neben Russland nehmen die USA unter dem Ko-Vorsitz der OSZE, der UNO und der EU daran teil) für neun Monate "eingefroren". Es ist klar, dass solche politisch motivierten Pausen der Stabilität der Region nicht zuträglich sind.

Dies betrifft auch die transnistrische Regelung. Grundlage für die Verhandlungen ist dabei das "5+2"-Format (Moldawien und Transnistrien sowie Russland, die Ukraine, die OSZE, die EU und die USA). Doch statt gewissenhafter Arbeit zu widmen erzählen uns die westlichen Teilnehmer des Formats sowie auch Chișinău seit zwei Jahren, dass das Format "auf Pause“ gesetzt worden und eine Wiederaufnahme der Tätigkeit unmöglich sei.

Die russophobe Hysterie, die viele europäische politische Eliten erfasst hat und von Washington und Brüssel eifrig geschürt wird, lähmt die praktische Arbeit der OSZE in ihren drei Sicherheitsdimensionen.

Die OSZE konnte sich früher über eine fundierte Expertise bei der Bewältigung einer Reihe transnationaler Herausforderungen rühmen, insbesondere in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Drogenproblematik, organisierte Kriminalität, Grenz- und Cybersicherheit. Nun kommt es jedoch zu einer systematischen Einschränkung all dieser Diskussionsformate zugunsten einer politisierten Auseinandersetzung mit dem Konflikt in der Ukraine.

Der "kollektive Westen" verliert seine eigenen Fehleinschätzungen in der makroökonomischen und energiepolitischen Politik aus den Augen und wirft Russland zu Unrecht vor, die globale Energie- und Nahrungsmittelkrise provoziert zu haben. Gleichzeitig wird der Hauptfaktor der aktuellen Energieknappheit und der steigenden Energiepreise in Europa bewusst totgeschwiegen - die illegalen einseitigen Beschränkungen des Westens gegenüber Russland und die politisch motivierte beschleunigte Abkehr von der Lieferung russischer Kohlenwasserstoffe. Schon jetzt führt dies zu einer Verringerung des industriellen Potenzials der europäischen Wirtschaft und zu einer Verringerung ihrer Wettbewerbsvorteile.

In der OSZE entwickelt sich eine Desinformationskampagne mit dem Ziel, Russland als einziges Land für die Turbulenzen auf den Weltmärkten für Nahrungsmittel verantwortlich zu machen. In Wirklichkeit stecken dahinter die Versuche der USA und ihrer Satelliten, Russland vom Nahrungsmittelweltmarkt zu verdrängen und ihren eigenen großen Agrarkonzernen Vorteile zu verschaffen. Wie man so schön sagt, nichts Persönliches, nur Geschäftliches.

Fast vollständig zerstört ist die Zusammenarbeit in der humanitären Dimension, welche lange Zeit die "Visitenkarte" der OSZE war. Der Dialog über Menschenrechtsfragen wurde de facto stillgelegt, und die Richtung der Arbeit selbst wurde "ukrainisiert". Auf Vorschlag gewissenloser "Steuermänner" in der OSZE sind Verstöße gegen die Geschäftsordnung, die Durchführung von Veranstaltungen des sogenannten "dritten Korbs" ohne Rücksprache mit allen Teilnehmerstaaten sowie die Nichtzulassung von Vertretern russischer gesellschaftlicher Organisationen zu Konferenzen und Treffen zur Norm geworden. Der Zweck solcher Aktionen liegt auf der Hand: den antirussischen Eifer aufrechtzuerhalten, alternative Standpunkte zu verschweigen und die OSZE in ein ausschließlich proukrainisches Forum zu verwandeln, in dem alle anderen Fragen, mit denen sich die Organisation befassen müsste, einfach ausgeklammert werden. Für Länder "westlich von Wien" ist dieser Ansatz sehr praktisch, da er es ihnen ermöglicht, grobe Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land zu verbergen.

Das, was unsere Gegner listig "kreative Diplomatie" nennen, ist in Wirklichkeit ein Versuch, das Wichtigste zu umgehen, auf dem die OSZE aufgebaut ist - das Konsensprinzip. In jüngster Zeit hat das westliche Bündnis, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, Kompromisse und Lösungen zu finden, damit begonnen, "Ersatzveranstaltungen" abzuhalten. Dies droht sich zur Schaffung einer "parallelen OSZE" auszuwachsen, in der es keinen Platz für die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen und der Geschäftsordnung gibt. All dies birgt große prinzipielle Risiken, denn es kann letztlich jeden Staat treffen, dass irgendwann der Moment eintritt, in dem seine Position einfach ignoriert wird.

Man soll sich keinen Illusionen hingeben: der Westen hatte nie ein Monopol auf das, was in der OSZE passiert, und wird es auch in Zukunft nie haben. Die westliche Überzeugung vom Gegenteil ist die Hauptursache für die „Identitätskrise“ der Organisation. Der Glaube einer Reihe von Ländern an ihre Exklusivität und die Alternativlosigkeit zum westlich zentrierten Modell der Weltwahrnehmung ist destruktiv. Eine solche Vereinfachung ignoriert die Tendenzen zur Bildung einer multipolaren Welt, welche unabhängig davon, was die westlichen Länder darüber denken, an Dynamik gewinnen.

Die Realität zeigt: Russland war in der globalen Welt niemals isoliert und wird auch nie isoliert sein. Es verschloss sich nie einem ehrlichen Dialog über vertrauensbildende und sicherheitspolitische Maßnahmen in Eurasien und im euro-atlantischen Raum, der die Interessen verschiedener Parteien berücksichtigt. Aber wir brauchen kein „Spiel auf ein Tor“ und erst recht kein umgekehrtes Damespiel. Unsere Opponenten müssen verstehen, dass Russland seine legitimen Interessen mit allen verfügbaren Mitteln verteidigen wird, darunter im Rahmen des durch Artikel 51 der UN-Charta garantierten Rechts auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung. Dafür verfügen wir über alle notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten.

 Nichtsdestotrotz hoffen wir aufrichtig, dass die Diplomatie in der Lage sein wird, die Welt vor einer größeren Konfrontation zu bewahren und stabile Bedingungen für die Sicherheit im euro-atlantischen Raum zu schaffen. Die Hauptaufgabe der Diplomaten besteht jetzt darin, eine groß angelegte militärische Eskalation in Europa zu verhindern. Die OSZE ist eines der zentralen Elemente für die Verhinderung eines solchen Szenarios.

Russland wird auch vorgeworfen, seine OSZE-Beiträge nicht bezahlt zu haben. Keiner der "Ankläger" legt jedoch den Grund für diese Situation offen. Dieser liegt im fehlenden Budget der Organisation. Unser Land ist bis in die jüngste Zeit seinen finanziellen Verpflichtungen immer gewissenhaft nachgekommen. Wir verweigern nicht die Zahlung an sich. Wir sind  jedoch nur zu Zahlung auf der Basis von begründeten Rechnungen bereit, die auf im Konsens beschlossenen Haushaltsmitteln beruhen. Andernfalls besteht die reale Gefahr, dass Russland mehr zahlt, als es muss. Wir haben nicht die Absicht, zu viel zu bezahlen, denn wir wissen, wie man Geld zählt, vor allem dann, wenn es um russische Steuergelder geht, die für die Bedürfnisse der internationalen Bürokratie zur Verfügung gestellt werden.

Ein weiteres zentrales Thema für die Organisation ist die Wahl des Staates, der für 2024 den OSZE-Vorsitz übernehmen soll. Wir sind davon überzeugt, dass dieser höchst wichtige internationale Posten von einem neutralen Land mit einer entwickelten politischen Kultur besetzt werden sollte. Am europäischen politischen Horizont gibt es solche Länder, welche den Traditionen und der Kultur des respektvollen Umgangs miteinander treu bleiben und sich noch immer dem politischen Diktat Washingtons und Brüssels widersetzen. Wir schätzen deren Besonnenheit und Integrität. Wir sehen ihr Potenzial im Management von multilateralen Plattformen.

Wir gehen davon aus, dass die Ausgewogenheit und das Primat der friedlichen Zusammenleben zwischen Ost und West die Grundlage der Sicherheitsarchitektur im Raum der OSZE bilden müssen – und nicht von Washington oder Brüssel aufgezwungene Prämissen.

Die OSZE steht vor der ernsthaftesten existenziellen Bedrohung seit ihrer Gründung. Die fundamentalen Grundlagen ihres Funktionierens werden derzeit methodisch unterhöhlt. Unter diesen Bedingungen versucht Russland, die OSZE zu retten und ihrer Zerstörung Einhalt zu gebieten. Wer wirklich versucht, der Organisation ihr Todesurteil auszustellen und zu welchem Zweck – das müssen Sie, verehrte Leserinnen und Leser, selbst beurteilen.

 

 

 

 

 
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